IV. AUSSAGEN IM RV UND BIOLOGIE INDISCHER HONIGBIENEN.

Bei folgenden Themen sehe ich Zusammenhänge zwischen Inhalten des RV und unseren Kenntnissen von Honigbienen des Subkontinents:

1. Soma ist als „Honigtau“ im Himmel und im Luftraum, auf Bergen und in Pflanzen, Wolken oder Strömen und wird vom Wind hergeweht.

Abb. 3: Erst in unserer Zeit wurde erkannt und bewiesen, daß Blütenpflanzen über ihre Nektarien (N) besonders Bienen anlockenden, rohrzuckerreichen Pflanzensaft absondern („Blumenhonig“) und daß der eigentliche Honigtau auf Bäumen und Sträuchern („Baumhonig“) Exkrete an Pflanzen saugender Insekten sind.

Für Menschen des alten Europa kam die wasserklare Süßigkeit in der Blüte oder auf Blättern als Regen oder Tau vom Himmel. Selbst aus Flüssen und Seen aufsteigende Nebel hatten sie in die Blüte gelegt, wie auch die „göttliche Fettigkeit“, das Bienenwachs (Roscher 1883, Glock 1891, Ransome 1937). Der RV verrät mir durch zahlreiche Stellen, und Roscher hat hierauf schon vor langer Zeit hingewiesen, daß die Sänger diese Zusammenhänge ähnlich sahen. Somas Ursprung ist der Himmel, er wächst auf der Erde. Für Hillebrandt ist indu „der Tropfen aus dem Mond“, der den Berg oder Fels erreicht und dort in der von ihm noch nicht als Wabe erkannten „Pflanze“ umgewandelt wird. Seine Skepsis gegenüber allen bis zu seiner Zeit vorgeschlagenen, und als die ursprünglichen ausgegebenen Somapflanzen, war berechtigt. Die Ashvins beträufeln das Land mit Honig und Schmalz. Letzteres scheint mir Wachs zu bedeuten, die zweite Komponente des vom Himmel kommenden Reichtums der damaligen Zeit. Frisch von der Felsenbiene ausgeschiedenes Wachs ist schneeweiß und hat deshalb mit der auch heute in Indien noch vielfach zeremoniell verwendeten Schmelzbutter oder ghee viel gemeinsam und lebt vielleicht sogar in ihr fort. Auch in neueren Arbeiten über die Ashvins (Zeller 1990) wird immer noch nicht das Wesentliche ihres morgendlichen „Taus“ erkannt und dieser nur als einfaches wässeriges Kondensat betrachtet. Nach J. Brough (1973:27) hat die Wurzel mîh etwas mit bedew, besprinkle zu tun und er schreibt dies: „In many of such verses the substance involved is mádhu, which may often imply or denote soma.“ Er fährt fort (S. 28), einen Vers aus RV 9,107 so kommentierend: „But it makes acceptable sense to translate: ´(O god Soma)... besprinkle our sacrifice with madhu (soma-juice)´“. Soma ist somit im „Tau des Himmels“, es ist „der Soma von der Blume“ (RV 4,3,10), was nicht bedeuten muß, daß Soma aus einer Blüte oder Blume gepreßt wurde. Diesen „süßen Tau“ bringen die Bienen in die Somapflanze, die Wabe. Die den Nektar spendende Blüte (oder Lotus) und Bienenwabe gehören genetisch zusammen. Deshalb kann man vom "„himmlischen Wasser“ (RV 7,65,4) oder „vom besten Rahm des Himmels“ (RV 9,51,2) singen, wenn Soma gemeint ist. Stellvertretend für viele ähnlich zu interpretierende Stellen des RV ist mir das in diesem Abschnitt Vorgebrachte treffend in RV 3,51,5 zusammengefaßt: „Für Indra bewahren die Himmel, die Pflanzen und die Gewässer, die Flüsse, die Wälder, ihren Reichtum.“ Die im Altertum weit verbreitete Vorstellung von der himmlischen Herkunft des Wunderheilmittels Honig, in Form des wasserklaren Taus, erklärt mir auch die im RV dem Wasser zugeschriebenen Heilkräfte, denn außer durch die Süße sind Blütennektare und klares Wasser nicht zu unterscheiden. Soma kann im RV mit Recht als Regen bezeichnet werden.

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